24 Jahre Hühnerkäfig
Nachruf auf die JVA Frankfurt am Main I
Natürlich kann man sagen, hätte es die „Eins“ nicht gegeben, gäbe es heute Weiterstadt nicht. Aber mußte das alles sein? Schon bei der Einweihung 1973 wunderte sich der
Berichterstatter der FAZ über die so grundverschiedenen Ansichten zweier Haftanstalten: dass so die U-Haftanstalt aussehen mußte und die daneben liegende Strafanstalt „Gustav-Radbruch-Haus“ ganz
anders, viel humaner. Erst recht innen: 9,6 qm für meist 2 Gefangene. Gleich zu Anfang war der Betonklotz mit 1000 Mann überbelegt,dann fast immer 800, 560 gab es mal in den 80er Jahren – das war
dann fast Normalbelegung. Die ersten zwei Monate hatte ein Untersuchungsgefangener nur eine Stunde Freizeit, d.h. wenn er nicht gerade Besuch hatte oder an einer der wenigen Gruppen der Seelsorge
teilnahm, war er 23 Stunden in der Zelle auf 9,6 qm eingesperrt, meist zu Zweit.
Kein Wunder, dass es viele Suicide gab, besonders in den ersten zwei Monaten der Inhaftierung, in denen es nur die 60
Minuten der gesetzlich vorgeschriebenen Freistunde gab, "damit wir sie besser kennenlernen", wie der Anstaltsleiter meinte. In einem Jahr gab es einmal 8 Tote. Kein Wunder auch, dass da wenig übrig
blieb für Verarbeitung der Tat, Wiedergutmachung und Planung eines Lebens in sozialer Verantwortung.
Kaum jemand hat auch an die gedacht, die hier arbeiten mußten. Viele haben ihre Tätigkeit vorzeitig beenden müssen,
Gesundheit und Berufsmotivation verloren Und mancher träumte von „guten“ alten Knast in der Hammelsgasse.
Man hätte eine Gedenkstunde abhalten müssen in diesen Tagen als die „alte“ JVA Ffm I abgerissen wurde. Mit dem Gedenken an die Qualen, die dort erlebt wurden,
die Einsamkeiten, den höllische Lärm in den Nacht, die Ängste vor der Zukunft, die Rechnungen, die beglichen wurden beim Duschen und im Treppenhaus beim Gang zur Freistunde, die Dramen in den
Besucherzellen. Mit dem Gedenken aber auch an die Opfer derer, die hier eingesperrt waren. Aber auch an alle, die hier unschuldig eingesperrt waren, und dann nach der Entlassung vor einem
Scherbenhaufen standen. - Statt einer Gedenkstunde dieser Nachruf:
Ihr alle, die Ihr hier reinseht, gedenkt der ungezählten Qualen .....