Gert Linz Kurz vor der Mündung der Nidda in den Main..am Gaasebrickelsche... Gert Linz ,
                                 Gert Linz  Kurz vor der Mündung der Nidda in den Main..am Gaasebrickelsche...             Gert Linz                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                        ,                                                                                        

Frankfurt - Höchst und Nied

An der Nidda heißt auf dieser alten Karte Nied "Nidda".

 

Der Vorort von Frankfurt - NIED im Flusswinkel von Nidda und Main  hatte alles, was man für eine anregende, schöne Kindheit brauchte: Eine überschaubare Gemeinschaft mit Tradition, zwei Kindergärten, zwei Kirchen, zwei Volksschulen, viele  Vereine, die 2 Sportvereine mit Tradition.....und vor allem die Nidda, der Main, die große Wörthspitze zwischen beiden Flüssen mit der doppelten Pappelreihe und der riesigen Wiese. Jetzt steht dort eine Walnussallee: das wäre im Herbst ein Schulweg gewesen.

Höchst - von der Schwanheimer Brücke aus
Nied - St. Markus - Im Hintergrund der Große Feldberg und der Altkönig rechts)

Der Chemiegestank begleitete mich seit meiner Geburt. Auf dem Gelände der Rotfabrick, der Farbwerke Hoechst in deren Asyl, dem Wöchnerinnenheim bin ich geboren. Die Farbwerke haben mich wie so viele Bewohner der westlichen Vororte von Frankfurt lange nicht losgelassen. Die kulturellen Angebote wie Dichterlesungen (Stefan Andres, Werner Bergengruen, Bruce Marshall...) und die Bücherei habe ich reichlich genützt.

Mein Vater arbeitete in den Farbwerken als Laborant und meine Opa, der Leo Linz, als Arbeiter. Als Student konnte ich natürlich auch dort zum "Werkstudenten" werden. Das war harte Arbeit in den riesigen Kunstdüngersilos und in einem Zwischenproduktebetrieb. In einem Kunstdüngerbetrieb, wo ich gearbeitet hatte, brannte es danach. In F6,wo Zwischenprodukte für die Farbherstellung in riesigen 6000-Liter Kesseln hergestellt wurden, explodierte später ein solcher Kessel. Das Dach der zweistöckigen etwa 100 m langenWerkshalle flog dabei in die Luft, der Kessel aus dem 1. Stockwerk stand nach der Explosion im Keller, und bis zum Gymnasium waren alle Fensterscheiben der anliegenden Häuser kaputt: ein interessanter Arbeitsplatz!

 

Nicht weit von den Farbwerken im Osten lag das Leibniz-Gymnasium, das ich von 1950 bis 1959 besuchte. Der Chemiegestank war Standard.

 

Geboren, aufgewachsen

und sozialisiert

in  Frankfurt- Höchst  

und Frankfurt - Nied

(Frankfurt erst seit 1928)

 

 

 

S 118 : Silo für Kalksalpeter, Complesal-Volldünger...schon länger abgerissen

 

Auf der Nieder Gemarkung ereignete sich 1839 etwas Historisches: Für dieses Ereignis hatte man extra eine Brücke gebaut, diese damals in Deutschland einmalige "Gewölbe"-Brücke. Sie war 1839 fertig und wird bis heute genutzt: Der erste Dampfzug fuhr von Frankfurt nach Höchst; besser: er sollte fahren.

 

Es begann im Taunusbahnhof in Frankfurt, der gerade fertig geworden war. Er war einer von 3 Bahnhöfen, die von da bis 1888, als der Hauptbahnhof eröffnet wurde, an der Taunusanlage den Verkehr nach Kassel (Weserbahnhof) Heidelberg (Neckerbahnhof) und Wiesbaden (Taunusbahnhof) abfertigten.

 

Am 23. Juni 1839 also fand eine Probefahrt nach Höchst statt. Viele Ehrengäste waren im Zug. Der Zug aber kam nicht weit: In Höhe des Nieder Waldes streikte die Lokomotive. Man beschaffte Pferde aus dem Rebstock-Gut. Die Pferde schafften es nicht, also mußten die Ehrengäste mitziehen und mitschieben - bis nach Höchst. Die Schaulustigen, besonders die Eisenbahngegner sparten nicht mit ihrem Applaus. Es zweifeln heute einige Leute aber daran, ob die Geschichte wirklich stattgefunden hat oder nur eine Erfindung der Eisenbahngegner ist, die vielleicht auch die Karikatur unten gezeichnet haben. Historisch ist auf jeden Fall die Taunus-Eisenbahn, die im September dann ihren regulären Betrieb aufgenommen hat.

Die Taunusbahn 1839 zwischen Frankfurt und Höchst am Main

Die Stelle hat für mich noch einer andere Bedeutung: "Fringsen" nannte man nach dem 2. Weltkrieg den Kohlenklau. Kardinal Frings hatte ihn legitimiert, wenn die Leute frieren mussten, durften sie klauen - und das war  ganz schlimm in einem eisigen kalten Winter, der an den Straßenrändern große Schneehügel machte, die ich noch vor mir sehe. Mein Vater und ich, wir hatten uns mit vielen meist jüngeren Leuten an der Bahnstrecke mit Fahrrad und großem Sack postiert. Auf freier Strecke gab es da ein Signal, das die Arbeiter des Reichsbahn-Ausbesserungswerkes, das auf der anderen Seite lag, wohl öfter als nötig auf Halt stellten. Kaum hielt der Kohlenzug, da wurde er geentert. Ein Kohlenregen ergoss sich auf die Böschung und das zweite Gleis. Enttäuscht war ich dann doch, dass mein Vater es nicht auf einen Güterwagen geschafft hatte. Da waren die ganz jungen Leute schneller. Mit sehr geringer Beute machten wir uns  am Alemania-Fußballplatz vorbei, nach Hause. Später hatten wir dann neben der Taunusbahn gegenüber dem Nieder Friedhof unseren Garten.

Die "Zweitbahn"

Schroddeln nannte man nach dem Krieg, die Versuche der Städter, auf dem Land, was Essbares aufzutreiben. Der Johann war Laborant, also an der Quelle der Waschmittelproduktion (Hostapon) in den Farbwerken: Was Gutes um zu schroddeln. Die Reagenzgläser, Glasapperaturen forderten dazu heraus, Schnaps zu brennen, bei uns zu Hause in der Küche.

Also wohl gerüstet fuhr er mit dem alten Dixie-Rad in die Wetterau, z.B. nach Rendel Hast Du schon mal einen Zentner auf dem Gepäckträger transportiert? Der Johann schafft den Zentner Kartoffeln auf dem alten Dixie von der Wetterau nach Nied.

Wo wir gerade bei den Amis sind. Uns ging es nach dem Krieg ziemlich gut. Wir hatten Tanten in AmerikaZwei Kusinen meines Vaters lebten in den USA, die Tante Anna May in Tucson, Arizona und eine Tante  in Lake Ronkonkoma, New York. Der Mann von Tante Anna Mai aus Arizona war Admiral und  auch mal in der  Panama-Kanal-Zone stationiert. Aus Amerika kamen immer wieder Pakete, besonders aus Arizona. Wie oft hing ich im Fenster der Dachgaube im 2. Stock der Sauerstraße 29 und habe mir nach rechts den Kopf verdreht, um den Paketbriefträger mit seiner einachsigen Karre um die Ecke der Franz-Simon-Straße biegen zu sehen..und hält er auch bei uns gegenüber mit seinem Klapperkarren? Meine Ami - Wendejacken sahen ziemlich gut aus... Hosenträger mit Brustvlies, Seppelhose und Ami-Jacke - nicht schlecht. Entdeckst du mich auf dem Klassenfoto? 

Druckversion | Sitemap
© Gert Linz